Die Artuslinde


Rezeptur für die Artuslinde


Zutaten:

1 Comiczeichnerin aus dem 21.Jahrhundert

1 zauberkräftige Linde*

1 Artusritter*

1 wahre Liebe

je ein Prise Freude und Leid

1 Zauberer, Merlin*

                                                                                               

*aus biologischen Anbau


Zubereitung:

Den Lieblingsplatz aufsuchen, schöne Musik einschalten.

Die angerichteten Zutaten Zeile für Zeile,

Seite für Seite lesen und genießen.

Warnung:

Nicht zu schnell verschlingen, es besteht Suchtgefahr!



Durch die Anderswelten reisen,

Einsicht in Leben und Tod,

die eigenen Schattenseiten kennenlernen

und diese an das Licht bringen.





Die wunderbare Lichtung, Sommer 2003

Auszüge aus Kapitel 2


         Was nun? Unschlüssig stieg ich vom Rad. Der Weg gabelte sich an dieser Stelle. Welchen Weg sollte ich nehmen? Den rechten oder den linken? Ich atmete ein paarmal tief durch und genoss die würzige Waldluft. MIt einem Griff vergewisserte ich mich, ob die Decke, und mein Rucksack auf dem Gepäckträger hielten. Ich blickte erneut die beiden Wege entlang. Der rechte lud ein, denn ein Schild kündigte einen See an. Trotzdem entschied ich mich für den linken. Warum? Möglicherweise lag es an den Sonnenstrahlen, die gebündelt durch das dichte Blattwerk der Buchen fielen und am Ende den Weg erleuchteten.

In diesem ungewöhnlich großen, unbesiedelten Waldgebiet fand ich sicherlich was ich suchte, Ruhe und Zufriedenheit, abstand vom betriebsamen Alltag und dem Lärm der Stadt. Manchmal glaubte ich selbst in der Kleinstadt noch fehl am Platz zu sein, da mir die Natur viel näher war. Ich stieg wieder auf mein Rad  und fuhr los. Wie um meine Gedanken zu strafen flog in diesem Augenblick ein Düsenflieger über mich hinweg. Ich zuckte zusammen, doch zum Ohren zuhalten kam ich nicht mehr. Er flog so tief, dass er beinahe die Baumkronen berührte. Ich blickte ihm böse hinterher.

         Während der Fahrt, unter den hohen Buchen, genoss ich den kühlen Schatten, den sie spendeten. Buchen schafften Klarheit, wo gedankliches durcheinander herrschte. Ein bisschen besserte sich meine Laune tatsächlich. Ich dachte nicht mehr ständig an diesen dummen Verleger, der meine Bilder und Geschichten nicht mehr wollte und mir grundlos gekündigt hatte. Eine bodenlose Frechheit. Mir wurde flau im Magen, als ich an seine plumpen Versuche dachte, mich in sein Bett zu bekommen, indem er mir eine Vertragsverlängerung anbot. Von wegen. Und dabei waren meine Comics gut. Klar, nicht jedem lag das Mittelalter, doch brachten die Bildergeschichten den heutigen Menschen die alte Zeit näher und waren gleichzeitig unterhaltend.


         Nach etwa einem Kilometer Fahrt sah ich plötzlich linker Hand einen Hohlweg. Beinahe wäre ich daran vorbeigefahren, ohne ihn zu bemerken. Ich stoppte meine Fahrt, stieg ab und schob mein Rad das kleine Stück zurück.

         Ohne ersichtlichen Grund atmete ich mit einem Mal flach. Ich meinte, eine Stimme zu hören die meinen Namen rief und fühlte mich unweigerlich von diesem Pfad angezogen.  Er führte bergab, begrenzt von Eichen und dichtem Gebüsch. Ein seltsames Licht schimmerte innerhalb des Weges. Die Sonne versuchte ohne Erfolg, ihre Strahlen durch das dichte Geäst der Büsche und Bäume hindurchzuzwängen, trotzdem leuchtete der Pfad in einem weißlichen Licht. Er lockte mich, den ersten Schritt zu wagen. Trotz meiner seltsamen Empfindungen, und obwohl sich etwas in meinem Inneren sträubte, stellte ich mein Rad an einer kleinen Birke außerhalb des Hohlweges ab, nahm meinen Rucksack und die Decke und wagte diesen ersten Schritt. Er war leicht, auch der nächste und übernächste. Was erwartete ich auch, dass mich eine Raubkatze ansprang? 

Ich folgte grundlos außer Atem, den Windungen des Pfades, bis mich eine wildgewachsene Buschhecke am Weitergehen hinderte. Sollte dieser wundervolle Weg eine Sackgasse sein? Mit den Augen suchte in dem knorpelig gewachsenem Gebüsch eine Öffnung und entdeckte tatsächlich eine Lücke. Gerade so groß, dass ich hindurchpassen würde. Ohne weiter über das seltsame Gefühl in meiner Magengegend nachzudenken, zwängte ich mich durch und richtete mich schwer atmend auf der anderen Seite wieder auf, um im selben Augenblick die Luft anzuhalten.  

         Ich glaubte zu träumen, denn ich stand auf einer von Laub- und Nadelbäumen und der dichten Hecke umsäumten Lichtung. Jegliche Sicht nach außen war verwehrt. Ich konnte mich nicht erinnern, schon einmal Wundervolleres als diese Lichtung gesehen zu haben. Auf der Wiese wuchsen wilde Blumen, leuchteten bunt aus den vielfältigen Grüntönen der Gräser. Schmetterlinge, Bienen, Hummeln und vielerlei Kerbtiere und Käfer tummelten sich darauf.

In der Mitte der Lichtung lag ein Steinkreis, wie gewollt niedergelegt, bestehend aus zwölf

Steinen ungleicher Gestalt und Farbe. Und in der Mitte des Steinkreises stand eine Linde: riesig, uralt und überirdisch schön.



         Verzaubert ging ich weiter und stellte mich unter die Linde. Mir wurde unheimlich zumute. Ich glaubte, diese starke Kraft des Baumes kaum ertragen zu können. Überwältigt von dem  Gefühl, schluckte ich schwer. Es gab keinerlei Zweifel, ich befand mich an einem heiligen Ort, einer Kraftquelle. Einer Verbindung zwischen Himmel und Erde. 



Das Erwachen

Anfang Kapitel 4


         Etwas stimmte nicht, dessen war ich mir bewusst noch bevor ich meine Augen öffnete. Ich zitterte am ganzen Körper. Als ich die Lider aufschlug, suchte ich sofort einen Anhaltspunkt in der Lindenkrone, doch mein Blick irrte wild suchend umher. Die Linde war nicht mehr da. Jedenfalls nicht in der gleichen Art wie zuvor. Die Linde, unter der ich jetzt lag, war ein höchstens dreißig, möglicherweise vierzigjähriger Baum. Ein unangenehmer, kalter Wind, der einen eisigen Regen vor sich herpeitschte, riss an seinen Ästen und an mir.

zurück zum Anfang