Eingeschneit 



Es ist schon einige Jahre her, da gab es mal einen richtigen Winter bei uns, wenngleich nicht wie in Skandinavien oder Sibirien, trotzdem ein echter Winter, so wie man ihn im Bilderbuch findet. Es schneite und schneite und irgendwann lag der Schnee tatsächlich Kniehoch auf der Erde. Unser kleiner Hof mitten im Wald, lag geheimnisvoll und still da, lediglich bei jedem Schritt knirschte der Schnee unter den Schuhsohlen. 

Die Straße vor der Haustür lag ebenfalls verschneit mit Schneedünen da und kein Autofahrer traute sich durch. Nicht einmal die Schneeräumer oder Salzstreuer fuhren. So stand natürlich auch unser Wagen still und Schneebedeckt wie ein kleiner Hügel auf dem Parkplatz.


Wir, meine Familie und ich, bekamen genau in diesen Tagen eine heftige Grippe und hohes Fieber. Eigentlich kein Problem, denn das gehört ja zu einer Grippe dazu und genauso zum Heilungsprozess derer, doch in unserem Falle war es fatal. 

Warum? 

Wir hatten, zu dem Zeitpunkt etwa 100 Tiere zu versorgen. 

Das waren die 100 Tiere, die in diesen Jahren bereits auf unserem Hof und in unserer Obhut lebten. Eine Kuh, Pferde, Ziegen, Schafe, Katzen, Hunde, Gänse, Enten, Hühner und zwei Pfauen. 


Ja, was macht man, wenn nur wenige Menschen so viele Tiere versorgen und niemand da ist, der einspringen kann?

Man quält sich abwechselnd, zusammen mit dem Fieber aus der warmen und kuscheligen Bettdecke und dem Bett, zieht sich wortwörtlich warm an und geht in den Schneesturm nach Draußen, um die Tiere mit dem nötigen zu versorgen. Extras gab es während dieser Tage nicht.

Abwechselnd, immer einer oder maximal zwei von uns schleppten sich also raus, um das gefrorene Trinkwasser gegen frisches ungefrorenes zu wechseln, Futter zu verteilen oder für später vorzubereiten, Stroh auszuschütteln, Heu aufzufüllen und die Tiere draußen toben zu lassen, sowie Streicheleinheiten zu geben. 

Der Tag begann mit dem Sonnenaufgang und endete mit dem Sonnenuntergang. 


Bei all der anstrengenden Arbeit im Fieberwahn, hatten wir trotz allem einen achtsamen Blick für die Schönheit der Natur im Schnee. 

Mitten im Wald konnten wir die schwer beladenen Äste der Fichten schauen, als hätte ein Riese mit ihnen gespielt und dicke Wattebäusche auf sie geworfen. Die kahlen Äste der Laubbäume schienen mit einer weißen Schicht bestrichen zu sein und die Luft war klar, rein und kalt. 

Im Morgengrauen stieg ein kalter Nebel auf, wehrte sich ein Weilchen und wich dann doch dem Tag und den Sonnenstrahlen. Die Sonne schickte ihre strahlenden Boten durch die Äste aller Bäume und lies den Schnee glitzern und blitzen und die Welt als Zauberwelt erscheinen. Wenn sie hinter dem Sichtkreis verschwand, senkte sich schnell die winterliche, kalte und klare Nacht herab und lies wiederum am Himmel Milliarden von Sternen auftauchen und den Mond als weißgelbe Scheibe erleuchten. 


Wenn wir mit der Arbeit fertig waren und wieder rein gingen, zum kuscheligen Bett, welches uns rief und rief, dann schickten wir noch ein paar kräftige Atemzüge in die Nacht hinein, die dann als weißer Nebel vor unserem Gesicht tanzten. 


Im Haus angekommen gaben wir dem unbändigen Wunsch nach, endlich wieder ins Bett zu fallen und die Grippe zu durchleben, bis sie auskuriert war. 


Ich meine mich zu erinnern, dass wir fast eine Woche in diesem Zustand, Innen wie Außen, lebten. Missen möchte ich die Zeit nicht, auch wenn sie aufs extremste anstrengend war. Sie hat uns die wichtigen Dinge im Leben gelehrt und uns demütig werden lassen.  








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