Auszug aus meinem Roman: Keltenzauber!






13 Nur bis zum Licht – Wie ist das möglich?

Ich holte tief Luft. Die Rippen taten kaum noch weh, dank Ossian! Ich schickte ein Stoßgebet zu dem alten Druiden, der gegen die Ordnung verstoßen hatte, um Gavin und mir die Heilgriffe und Behandlungen zu zeigen. Selbst die merkwürdige Verletzung am Oberarm war in den letzten Tagen gut geheilt. Fünf Tage! Unglaublich. Und doch, wie lächerlich war die Strecke, die wir bis jetzt zurückgelegt hatten. Wäre ich unverletzt, hätten wir für diesen Weg höchstens ein bis zwei Tage gebraucht. Es nutzte nichts, es war wie es war. 

Wir versuchten die offenen Flächen zu meiden und hielten uns soweit es ging in den Wäldern auf, doch ständig kreuzten wir grauschwarze Wege, auf denen beängstigend schnelle und große Autos fuhren. Selbst das Wetter schien hier wirr zu sein. Nachdem uns zwei Tage lang der starke Schneefall und die eisige Kälte gequält hatte, regnete es am dritten plötzlich und völlig unerwartet. Ein eisiger Regen, der uns bis auf die Haut durchnäßte. Und am vierten wurde es so kalt, daß der Regen jäh zu Eis wurde. Es hing schwer an den Ästen der Bäume und ließ sie zu Haufe brechen. Wie gut, daß wir einen Holzverschlag im Wald gefunden hatten, sonst wäre es uns schlecht ergangen. Und schon wieder schlug das Wetter um, es schneite. Selbst das Wetter wußte in dieser Welt nicht mehr was richtig oder falsch war. Als wir an den Rand einer größeren Siedlung gelangten, umrundeten wir diese, bis wir erneut auf eines der großen teils durchsichtigen und viereckigen Gebäude stießen. Wir deckten uns erneut mit Nahrung ein, um schließlich wieder in das nächste Waldgebiet zu flüchten. Dieses Mal hatten wir Glück, denn der Wald schien größer zu sein als die anderen bisher. Zwar fehlte auch hier das Unterholz und wilde Kräuter oder Gemüse, doch wir konnten wenigstens einige Stunden gehen, ohne auf einen schwarzgrauen Weg zu stoßen. 

Gavin wandte sich an Dougal. „Warum guckst du dich andauernd um? Ich habe dich beobachtet.“

Ich wand mich innerlich. Ich wollte die anderen nicht beunruhigen, dennoch hatte ich andauernd dieses dumme Gefühl verfolgt zu werden. Und Eithne hatte schließlich ebenfalls etwas gesehen. 

„Erinnerst du dich, auf dem Markt als Eithne sagte, sie hätte die Farben der MacBochras gesehen?“

Gavin nickte. „Aye.“

„Ich habe sie auch gesehen, mehrmals. Und ich habe das Gefühl, daß wir verfolgt werden.“

Gavin sah seinen Bruder zweifelnd an. „Glaubst du ein MacBochra folgt uns?“

Ich zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht, was ich glauben soll!“

„Vielleicht haben sie uns Fearchar hinterhergeschickt?“

„Und MacBochra opfert seinen Lieblingssohn?“

„Und warum zeigt er sich nicht?“

„Wir könnten ihm eine Falle stellen?!“ sagte Gavin überlegend.

„Ich wüßte nicht wie wir das anstellen sollen.“

Als wir weitergingen bemerkte ich, daß die anderen sich nun auch immer wieder umsahen. Gut so, dann waren wir sicherer.


Am Morgen steckte ich die Nase unter dem großen Tuch hervor. Auch an diesem Tag war der Wettergott uns nicht hold. Es schneite stärker. Den nassesten Schnee, den ich meinte je gesehen zu haben. Und zudem schien es kälter geworden zu sein. Zeitig brachen wir auf und folgten unserem Weg in den Norden.

Wir liefen weiter. Immer öfter mußte ich an die Füchsin denken. Wären wir bloß bei ihr geblieben. Im Notfall mit angedrohter Gewalt. Gewiß, ich hätte ihr niemals etwas angetan, aber wenn sie das gedacht hätte, möglicherweise hätte sie uns doch geholfen. Es war mühselig. Ich bemühte mich, an etwas anderes zu denken.

Ich entdeckte ein Licht. Warm und einladend leuchtete es über den Schnee, der es glitzernd spiegelte. Was war das wohl? Eine Wohnhalle? Wieder eine Siedlung? Besser wir gingen nicht weiter. Im Schneegestöber verloren wir womöglich die Richtung, und obwohl es früh am Tag war, sollten wir uns zur Nacht vorbereiten. 

„Besser wir rasten bis morgen früh“, sagte ich und wunderte mich über meine rauh klingende Stimme. 

„Nein, ich will weiter.“ Eithne stapfte voran.

„Eithne, es ist unvernünftig. Womöglich verlieren wir die Richtung.“ Calum versuchte Eithne am Ärmel festzuhalten.

Eithne starrte auf den Schnee vor sich, als hätte sie weder mich noch Calum wahrgenommen.

„Eithne!“ Gavin packte sie ebenfalls am Arm.

„Nur bis zum Licht!“ presste sie eigenwillig hervor. „Nur bis zum Licht!“ wiederholte sie wie entrückt und schüttelte den Arm, um die beiden loszuwerden. 

Gavin sah mich an. 

„Vielleicht gibt es dort einen Stall oder ähnliches?“ 

Ich nickte ergeben und hoffte das Richtige zu tun. „Aye, bis zum Licht.“

Wir kämpften uns mit neu erwecktem Eifer und einem Ziel vor Augen nach vorne. Es handelte sich tatsächlich um ein Haus. Einsam, mitten im Wald. Ich wunderte mich, da alle anderen Menschen hier in dieser Welt eher auf einem Fleck hockten. Befriedigt stellte ich fest, daß es hier keine ungastlichen Gatter gab. Eine Raufe mit Heu stand unweit des Hauses am Waldrand und eine Scheune gab es auch. Das Licht drang durch bunte Vorhänge freundlich nach draußen. Ich roch Holzbrandgeruch und entdeckte einen Rauchabzug auf dem verschneiten Dach. 

Ein unerwartet heftiges Heimweh durchzog mich. Das Gefühl von Einsamkeit wurde übermächtig. Ich sah vor meinem inneren Auge unsere Mutter, die an der Feuerstelle stand und in einem großen Topf rührte. Vater, der an einem neuen Schuh für seine Enkelin arbeitete, unsere Großeltern und die anderen Geschwister und Verwandten. Das Bild war so stark, daß ich glaubte wir brauchten nur über die Schwellen zu treten und schon wäre der Albtraum vorbei. Ich schüttelte den Kopf, um wieder klar zu sehen. Hier gab es das alles nicht!


Flanna lief unruhig auf und ab. Sie mußte wieder und wieder an die vier jungen Schotten denken. Ging es ihnen gut? Inzwischen wußte sie wohl, daß keiner ihrer Bekannten mit ihrem Auftauchen zu tun hatten. Der Beweis, daß sie die Wahrheit gesagt haben mußten, lag vor ihr auf dem Tisch. Sie hob den Dolch auf und starrte ihn wiederholt an, als könnte er ihr sein Geheimnis erzählen oder sie zu Dougal führen. Sie hatte vorsichtig Erkundigungen eingeholt und war inzwischen sicher, daß dieser Dolch über alle Maßen alt war und trotzdem bemerkenswert neu aussah. Wenn ihnen etwas zugestoßen war, würde sie sich das niemals verzeihen können. Sie starrte zur Haustür. Der Bewegungsmelder sprang an. Vielleicht standen sie vor der Tür? Unsinn! Doch ihre Schritte lenkten sie zur Tür. Sie lachte über sich selber und trotzdem, ein innerer Zwang ließ sie den Schlüssel im Schloss drehen und die Tür öffnen.

Mit großen Augen blickte ihr Dougal entgegen, völlig verschneit, einen wild wuchernden Dreitagebart an Kinn und Wangen, die dunklen Augen von tiefen Schatten umrahmt. Sie schlug die Tür wieder zu. Jetzt drehte sie durch. Unmöglich, daß die vier den Weg von Hannover bis zu ihr gefunden hatten. Sie konnten doch nicht ihrem Wagen gefolgt sein? Ihre Hand zitterte, während sie die Tür wieder öffnete. Davor standen noch immer vier verschneite und fassungslose Schotten.

„Das kann nicht sein?!“ entfuhr es ihr. Sie trat einen Schritt hinaus in den Schnee und ihre Hand streckte sich zögernd nach Dougals Brust aus. Sicherlich würde sie ins Nichts greifen. Doch sie konnte ihre Hand nicht weiterführen, denn der breite Brustkorb Dougals versperrte ihr den Weg. „Ihr seid es wirklich?!“ Sie mußte unwillkürlich auflachen.


Ich räusperte mich. Sie starrte uns so ungläubig an, als wären wir Geister. Dabei war doch sie einer! Ich mußte etwas sagen, um den Augenblick nicht verstreichen zu lassen und beeilte mich: 

„Wir haben es nicht darauf angelegt dich zu finden.“ Wie sie konnte ich es nicht fassen. Wie war es möglich, daß wir ausgerechnet wieder auf die Füchsin trafen? Unglaublich! 

„Und trotzdem seid ihr hier!“ Sie schüttelte den Kopf. „Kommt bitte rein.“

„Bist du sicher?“ fragte ich nach.

„Ich bin sicher, jetzt!“ Sicher es war unvernünftig, sie wollte diesen Menschen jedoch trauen. Wahrscheinlich war es kein Zufall, daß eine Nachfahrin der MacBochras auf MacDougal traf.


In mir erwachte erneut Mißtrauen. Was hatte sie beschlossen? War es gut für uns? Ich schaute sie fragend an. 

„Seid willkommen und seid meine Gäste!“ Sie schaute jeden von uns eine Weile an. „Ich glaube euch, eure Geschichte. Es ist irrsinnig, der Dolch jedoch“, sie zeigte nachdenklich auf Gavins Dolch, den sie noch in der Hand hielt und betrachtete ihn erneut, ehe sie ihn Gavin zurückgab, „der Dolch ist alt!“ 

Gavin lachte und schüttelte den Kopf. „Ich habe ihn erst vor einem Mond vom Schmied erhalten.“ Er sah sie belustigt an. 

Ich erkannte wie die Belustigung aus Gavins Augen verschwand, als er den Sinn ihrer Worte begriff. Wenn sie recht hatte, und daran zweifelte ich keinen Atemzug länger, dann befanden wir uns wirklich und wahrhaftig in der Zukunft. Mir wurde schlecht bei dem Gedanken. Warum schenkte sie uns soviel Vertrauen? 

„Und du traust uns?“

Sie nickte. „Ich gebe euch Unterkunft, Essen und Hilfestellung was eure Heimreise angeht.“ Sie schaute auf. „Dafür erwarte ich eine Gegenleistung.“ 

Ich horchte auf. Was erwartete sie von uns?

„Solange ihr bei mir seid, will ich alles über euch und eure Zeit wissen, und“, sie überlegte kurz, „eure Sprache. Ich meine viele der Worte die ihr sprecht kenne ich nicht und sicherlich werdet ihr manch ein Wort von mir hören, welches euch seltsam vorkommt.“ Sie lachte schüchtern. „Diese neuen Worte sind im Laufe der Zeit entstanden und teilweise sogar Kunstworte.“ 

Unwillkürlich atmete ich erleichtert aus. „Ist das alles?“

Sie nickte. „Und euer Ehrenwort, daß ihr mir keine Messer mehr an den Hals drückt.“

Ich lächelte beschämt und sah die anderen an, ehe ich mich ihr wieder zuwandte.

Sie lächelte.

Vermutlich war das übertrieben, doch mir schien es nötig, um ihr unsere Gunst zu bezeugen. Ich kniete mich nieder und beugte den Kopf. „Ich schwöre bei meiner Ehre, beim Leben meiner Brüder und meiner Schwester, daß dir meine Treue sicher ist und ich dir niemals ein Leid zufügen werde!“ Ich erhob mich. Ein Stich in der Seite entlockte mir einen Schmerzenslaut. Ich ärgerte mich über meine Unzulänglichkeit. Trotzdem sah ich sie offen lächelnd an. 

Gavin und Calum knieten sich ebenfalls nieder und wiederholten meine Worte, während ich meine Augen nicht von ihrer wilden Schönheit lassen konnte. Sie war der einzige Halt im wirbelnden Durcheinander. Wir durften nichts mehr unternehmen, was ihre Zuwendung  gefährdete.


Eithne nickte, kniete sich dennoch nicht hin. Ihr Stolz verbot ihr eine solche Handlung. Entweder die Füchsin traute ihr oder sie tat es nicht, dann war es ihr egal. Herausfordernd sah sie wieder auf.


Die Füchsin nickte, offensichtlich verwirrt durch unseren Schwur. 

Ich spürte ein warmes Ziehen im Bauch



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